Wie bringt man ein Medizinprodukt in den Verkehr?

Autor: Dr. Tobias Heinrich

Letzte Änderung: 25.03.2023

Wissen Sie, was Sie alles beachten müssen um ein Medizinprodukt auf den Markt zu bringen?
Wenn nicht, genießen Sie unsere heutige Kurzeinführung in das Thema.

 

Was ist ein Medizinprodukt überhaupt?

 

Ein Medizinprodukt ist ein Instrument, Apparat, Vorrichtung, Software, Implantat, Reagenz, Material oder ähnlicher Gegenstand, der zur Anwendung am Menschen gedacht und eine medizinische Wirkung erzielen soll. Die Wirkungsweise wird hierbei zu den Arzneimitteln dadurch abgegrenzt, dass die Wirkung nicht pharmakologisch, immunologisch oder metabolisch ist.

Stellen wir uns folgendes Beispiel vor: Sie wollen eine Lutschtablette gegen Halsschmerzen entwickeln. Sie könnten diese z.B. mit Benzocain formulieren. Da Sie hier die Weiterleitung der Schmerzreize durch die (pharmakologische) Blockade von Natriumkanälen erzielen, handelt es sich um ein Arzneimittel.
Fügen Sie hingegen Schleimstoffe oder -drogen hinzu, handelt es sich um ein Medizinprodukt. Die Schleimstoffe bilden eine viskose Masse über der Schleimhaut, ohne jedoch eine pharmakologische Wirkung auszubilden. Dennoch beabsichtigen Sie das Erzielen einer Wirkung. Einem regulären Lutschbonbon fehlt diese Wirkungsabsicht, weshalb dieses kein Medizinprodukt ist.

 

Welche (gesetzlichen) Grundlagen gelten für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten?

 

Mit der Einführung der Medical Device Regulation (MDR) im Jahr 2017 hat sich das regulatorische Umfeld für Medizinprodukte in Europa grundlegend verändert. Die MDR hat das Ziel, die Sicherheit und Leistung von Medizinprodukten zu verbessern und das Vertrauen der Patienten und Anwender in diese Produkte zu stärken. Dazu wurden die Anforderungen an die Zulassung, Kennzeichnung und Überwachung von Medizinprodukten verschärft. Konkret bedeutet dies für Sie:

Konformitätsbewertungsverfahren: Sie müssen ein Konformitätsbewertungsverfahren durchführen, um sicherzustellen, dass Ihr Medizinprodukt den Anforderungen der MDR entspricht. Dieses Verfahren hängt von der Risikoklasse Ihres Produkts ab.

Technische Dokumentation: Sie müssen eine technische Dokumentation erstellen, die alle relevanten Informationen über Ihr Produkt enthält, einschließlich der Ergebnisse der Konformitätsbewertung.

CE-Kennzeichnung: Sie müssen Ihr Medizinprodukt mit einer CE (Conformité Européene)-Kennzeichnung versehen, um anzuzeigen, dass es den Anforderungen entspricht und für den Verkauf innerhalb der EU zugelassen ist.

Vigilanzsystem: Sie müssen ein Vigilanzsystem einrichten, um unerwünschte Ereignisse und Probleme mit Ihrem Medizinprodukt zu überwachen und zu melden.

Benannte Stelle: Sie müssen eine benannte Stelle auswählen, die Ihre Konformitätsbewertung überprüft und die Zulassung Ihres Medizinprodukts bestätigt.

Klinische Bewertung: Für Medizinprodukte der Risikoklassen IIa, IIb und III ist eine klinische Bewertung erforderlich, um die Sicherheit und Effektivität des Produkts zu bewerten.

Kombinationsprodukte: Ein besonderes Risiko: Bei Kombinationsprodukten handelt es sich um Produkte, die aus verschiedenen Komponenten bestehen, die einzeln als Medizinprodukt oder Arzneimittel zugelassen sind, aber in Kombination eine neue Funktion erfüllen. Ein Beispiel hierfür sind Katheter, die mit einem Wirkstoff, wie z.B. Chlorhexidin, beschichtet sind. Kombinationsprodukte können sehr wirksam sein, tragen aber auch ein höheres Risiko, da sie mehrere Komponenten und Funktionen haben, die eigene Risiken tragen und zusätzlich miteinander interagieren können, beispielsweise durch Absorption des Arzneistoffs in den Katheter. Entsprechend kommt dem Risikomanagement in diesem Bereich eine besonders wichtige Funktion mit entsprechender Komplexität zu.

 

Wie wird die Qualität bei Medizinprodukten sichergestellt?

 

Vermutlich haben Sie schon bei der Anforderungsliste oben gedacht, dass ein Medizinprodukt ja nicht dafür gedacht ist, die strengen Anforderungen im Arzneimittelmarkt zu umgehen. Entsprechend gibt es auch für das verpflichtende Qualitätsmanagement im Arzneimittelwesen ein Pendant im Medizinproduktemarkt. Hier fungiert sie als Norm EN ISO 13485:2016. Diese Norm legt Anforderungen an das Qualitätsmanagementsystem fest, das Hersteller von Medizinprodukten einsetzen müssen, um die Sicherheit und Wirksamkeit ihrer Produkte zu gewährleisten. Das Qualitätsmanagementsystem muss alle Phasen des Produktlebenszyklus abdecken, von der Entwicklung und Herstellung bis hin zur Markteinführung, Überwachung und Wartung.

Unterschiede im Detail

Was ähnlich wie die GMP-Regularien klingt, unterscheidet sich dennoch im Detail, beispielsweise bei den Anforderungen an die Dokumentation, die bei Medizinprodukten z.B. stark auf das Design eingehen. Für das Risikomanagement sind die Anforderungen bei Medizinprodukten sogar breiter gefasst und beinhalten die systematische Bewertung potentieller Gefahrenquellen während der Anwendung. Bei dem Beispiel unserer Lutschtabletten wären dies beispielsweise Allergien gegen einzelne Inhaltsstoffe der Tabletten.

Exkurs Lieferkette

Ein wichtiger Teil jedes Qualitätsmanagementsystems ist auch eine adäquate Logistik. Wenn Sie mit Arzneimitteln arbeiten, kommen Sie um den Begriff der Guten Verteilungspraxis (GDP) nicht umher. Diese gilt allerdings nicht für Medizinprodukte. Dennoch finden sich viele dort genannte Aspekte auch in der MDR und in EN ISO 13485 wieder.

Die MDR sieht vor, dass alle an der Lieferkette beteiligten Akteure ihre Verantwortung für die Sicherheit und Leistung von Medizinprodukten übernehmen müssen. Das bedeutet, dass Hersteller, Händler und Importeure sicherstellen müssen, dass die Produkte, die sie in Verkehr bringen, den Anforderungen der MDR entsprechen und dass sie angemessene Maßnahmen ergreifen, um mögliche Risiken zu minimieren. Auch Krankenhäuser und andere Anwender haben eine wichtige Rolle bei der Überwachung und Rückverfolgbarkeit von Medizinprodukten.

Beispielsweise müssen Händler von Medizinprodukten, wie Apotheken, diese auf ihre Konformität überprüfen. Bei Vorkommnissen, d.h. Abweichungen die zu einer Gefährdung führen können, ist zudem die Meldung an den Hersteller verpflichtend, welche dieser auch dokumentieren muss. Nicht zu vergessen ist auch die andere Richtung, d.h. der Umgang mit Lieferanten.

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