Virtual Reality Learnings – Interview mit einem Learning-Engineer
Virtual Reality (VR) hat das Potenzial, Bildung und Lernen zu revolutionieren, indem es immersive und interaktive Erfahrungen bietet, die traditionelle Lehrmethoden ergänzen oder sogar ersetzen können. Von der Simulation komplexer Szenarien bis hin zur Visualisierung abstrakter Konzepte ermöglicht VR ein Lernen, das über Bücher und Vorträge hinausgeht. Doch wie genau kann VR das Lernen verbessern? Um dies zu ergründen, habe ich mich mit Learning-Engineer Ulrike Gerlang aus unserem PTS-Team unterhalten, die an der Schnittstelle von Technologie und Bildung arbeitet.
Dominique Wahsner: Was hat Dich dazu inspiriert, in die Welt des VR-E-Learnings einzutauchen?
Ulrike Gerlang: Privat bin ich viel in der Gaming-Szene aktiv. Da hatte ich schon vor einigen Jahren die ersten Berührungspunkte zu AR und VR-Anwendungen. Als wir mit PTS dann letztes Jahr die LearnTec in Karlsruhe besucht haben, waren die Austeller mit den VR-Angeboten für mich als kleines Spielkind natürlich hochinteressant. Da wir bei PTS immer offen für Innovation und technologischen Fortschritt sind, wurde ich damit beauftragt in diesem Bereich zu recherchieren. So sind wir mit unserem jetzigen Partner 3spin Learning in Kontakt gekommen und ich war sofort Feuer und Flamme.
DW: Welche Vorteile siehst Du in der Verwendung von VR bei E-Learnings im Vergleich zu herkömmlichen Methoden?
UG: Neben den ganzen Vorteilen, die alle E-Learnings im allgemeinen im Vergleich zu Trainerschulungen haben, wie flexibles, zeit- und ortsunabhängiges Lernen und die trainerunabhängige Wiederholbarkeit, kommt bei der Verwendung von VR noch der hohe Grad an Interaktivität hinzu. Der Lernerfolg kann damit extrem verbessert werden, weil eine gut durchdachte und ausgeführte Simulation ein praxisnahes Lernempfinden schafft.
DW: Welche Rolle spielt die Interaktivität in VR-E-Learning-Inhalten, und wie wird sie erreicht?
UG: In meinen Augen ist das der wichtigste Part. Schon in konventionellen E-Learnings versuchen wir immer viele Interaktionen einzubringen. Zum einen um Abwechslung für den Lernenden zu schaffen und zum Anderen um den Lernerfolg zu vergrößern. Es ist allgemeinhin bekannt, dass man sich am besten die Dinge merken kann, wenn man sie selbst durchgeführt hat. Ich finde VR-Trainings sind die aktuell beste Möglichkeit Dinge praxisnah zu erlernen und die Umsetzung zu üben. In der realen Welt werden für wiederholtes Üben immer Ressourcen wie Materialen, ein Trainer, Räume usw. verbraucht. Mit VR kann in einem sicheren Umfeld so oft und lang geübt werden, bis die Handgriffe sitzen, ohne diese Ressourcen zu „verschwenden“ oder das Ausfallzeiten entstehen.
DW: Kannst Du mir Beispiele für erfolgreiche Implementierungen von VR im E-Learning-Bereich nennen?
UG: Im Bereich VR-E-Learning gibt es eine äußerst vielfältige Palette an Anwendungsmöglichkeiten. Von Onboarding-Prozessen über Ausbildungsprogramme bis hin zum Erlernen von Soft Skills sind praktisch keine Grenzen gesetzt. Besonders in Bereichen, in denen gefährliche Arbeiten ausgeführt werden oder in denen Produkte instabil sind oder der Zugang stark reglementiert ist, eröffnet VR völlig neue Wege. In solchen Umgebungen, in denen ein Fehler schwerwiegende gesundheitliche oder finanzielle Konsequenzen haben kann, ist VR-Training besonders wertvoll. Es ermöglicht das Training für gefährliche Arbeiten, schwer zugängliche Orte oder Reinräume, in denen zuvor nur theoretische Schulungen oder maximal Lehrvideos möglich waren. Das praktische Erleben in VR sorgt dafür, dass das Gelernte besser im Gedächtnis bleibt. Zudem können die Lernenden in einem sicheren Umfeld souveräner werden und die anfängliche Aufregung wird genommen. Letztlich kann dies dazu beitragen, dass Fehler vermieden werden, die nicht nur kostspielig, sondern auch lebensgefährlich sein können.
Use cases sind z.B. Arbeiten im Reinraum, Verhalten in Laboren, Brandschutzschulung, Arbeiten mit gefährlichen Stoffen, medizinische Eingriffe, Vertriebsschulungen, u.v.m.
Demo-Video Branschutzschulung
Erleben Sie einen Einblick in eine VR-Brandschutzschulung
DW: Welche Herausforderungen sind mit der Integration von VR in E-Learning verbunden, und wie gehst Du damit um?
UG: Mit dieser Art von E-Learning eröffnen sich sehr viele neue Möglichkeiten. Ich kann so vieles umsetzten, was in konventionellen E-Learnings nicht möglich wäre. Bei der Erstellung darf ich das nicht vergessen und sollte immer das volle Potenzial der Anwendungen ausschöpfen. Also nicht auf der Stelle stehen bleiben, sich selbst weiterentwickeln und auch bei neuen Entwicklungen dran bleiben.
Auf der anderen Seite muss ich aber auch aufpassen die Module nicht zu kompliziert zu machen. Bestes Beispiel war, als wir die Anwendung ohne Brille am Computer getestet haben und ich mein erstes Modul selbst gebaut habe. Es war für mich selbstverständlich mich innerhalb der virtuellen Welt mit den Tasten W (vorwärts), A (nach links), S (rückwärts) und D (nach rechts) zu bewegen, weil ich das aus Computerspielen so kenne und für mich selbst komplett intuitiv ist. Für eine Kollegin dagegen war das erstmal gar nicht so leicht. Solche Dinge, die für mich Kleinigkeiten bedeuten, könnten beim Lernenden allerdings schnell zu großem Frust führen.
Die Waage zu finden zwischen spannend und nicht überfordernd ist meine Herausforderung.
DW: Wie würdest Du den Prozess der Erstellung von VR-E-Learning-Inhalten beschreiben, von der Konzeption bis zur Implementierung?
UG: Nachdem der Kunde die Möglichkeit hatte das System ausgiebig zu testen, stellt er uns seinen Content in Form von Präsentationen, Arbeitsanweisungen, Videos, ggf. Aufnahmen von Schulungen oder dem Prozess, der umgesetzt werden soll, zur Verfügung. Auch vor-Ort Begehungen sind möglich.
Aus den gesammelten Informationen erstelle ich mit Rücksprache zum Kunden zunächst ein Konzept, als grobes Gerüst, wie man das Modul aufbauen könnte. Danach arbeite ich die Inhalte für das Learning aus und bleibe dabei immer im engen Austausch mit dem Kunden. Zeitgleich unterstützt 3spin bei der technischen Implementierung im Unternehmen und kann bei der Anschaffung von z.B. Brillen beraten.
Wenn der Kurs fertiggestellt ist, wird er ausgiebig vom Kunden getestet und anschließend ausgerollt.
DW: Welche Technologien und Tools verwendest Du typischerweise bei der Erstellung von VR-E-Learning-Inhalten?
UG: Die Erstellung erfolgt am Desktop-PC und gelingt mit der Plattform unseres Partners relativ einfach. Ich muss dafür nichts coden, sondern kann auf einer für mich gut intuitiven Oberfläche ein Modul erstellen. Natürlich ist das für technikaffine Menschen leichter. Falls ich kundenspezifische 3D-Objekte oder reale Räume virtuell umgesetzt benötige, haben wir im Haus einen Grafiker, der diese erstellen kann. Alternativ steht mir auch hier 3spin zur Seite. Somit können die Lernenden die echten Produkte und Räumlichkeiten auch virtuell im Modul nachempfinden.
DW: Wie gestaltest Du VR-E-Learning-Inhalte so, dass sie für ein breites Publikum zugänglich sind, unabhängig von technischen Fähigkeiten oder Zugang zu teuren Geräten?
UG: Unser Partner bietet die Möglichkeit die Module auch am Computer durchzuführen, ohne die Anschaffung von teuren Brillen. Natürlich ist der Lerneffekt bei den Brillen höher durch die Immersion. Trotzdem ist es auch am Rechner ein viel größerer Lerneffekt als klassische E-Learnings, weil der Grad an Interaktion mit klassischen E-Learnings nicht so umsetzbar ist wie mit VR-Technologie.
Trotzdem muss ich, wie eben schon erwähnt, darauf achten die Module nicht zu kompliziert zu gestalten, sodass jeder den Kurs absolvieren kann.
DW: Welche Trends siehst Du für die Zukunft von VR im Bereich E-Learning, und wie wirst du dich darauf einstellen?
UG: Technik entwickelt sich stehts weiter – von kantigen Grafiken zu KI erzeugten Bildern, die man kaum von echten Bildern unterscheiden kann, kann auch das VR Training immer immersiver werden.
Erst vor kurzem hat sich die 3spin-Plattform ebenfalls im KI-Bereich weiterentwickelt. Obwohl ich relativ nah am Thema KI und deren Entwicklung bin, bin ich jedes mal aufs neue überrascht und erstaunt darüber was KI schon alles kann. 3spin hat uns die Einbindungen an einem Beispiel vorgestellt. Man kann nun z.B. eine Figur ins Learning einbinden, mit der Lernende interagieren können. Dabei müssen die Lernenden nicht mehr nur zwischen vorgegebenen Antworten oder Fragen entscheiden, sondern können einfach die Figur ansprechen und sie reagiert entsprechend auf die Frage. Ich muss bei der Erstellung des Moduls aber nicht erst kompliziert alle möglichen Fragen und Antworten vordefinieren, sondern muss der KI nur ein paar Informationen zur Figur geben. Z.B. in welchem Unternehmen und welcher Position arbeitet diese, welches Hintergrundwissen hat diese bereits und das Auftreten (also ob sie z.B. freundlich oder cholerisch ist usw.) Also ähnlich wie bei einem Schauspieler, dem man sagt, welche Rolle er spielt, ohne ein Script schreiben zu müssen.
Somit kommt nun auch eine individuelle Komponente in das Training, sodass sich das Modul individuell an die Lernenden anpassen kann.
Es bleibt spannend, welche Weiterentwicklungen uns in den nächsten Jahren noch zum Staunen bringen werden.
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