Reinigungsvalidierung: Vom Sinn bis zu lebenden Mikroorganismen

Autor: Klaus Eichmüller, Regierungspräsidium Darmstadt

Letzte Änderung: 23.11.2023

Dieser Beitrag fasst eine Diskussionsrunde von verschiedenen Experten zum Thema „Reinigungsvalidierung“ zusammen. Es wurde der Bogen gespannt vom Thema Sinnhaftigkeit der Regularien über die praktische Umsetzung und dem Ansinnen des Datensharings bis zum Umgang mit lebenden Mikroorganismen.

 

Sinn der Reinigungsvalidierung

Die Sinnhaftigkeit der Regelungen in dem Annex 15 und den Kapiteln 3 und 5 des EU GMP–Leitfadens hinsichtlich der Notwendigkeit einer toxikologischen Bewertung wird oft hinterfragt. Kontrovers diskutiert wurde dabei bereits die Sichtweise der Industrie. Teile der Industrie hatten sich einen toxikologisch – wissenschaftlichen Ansatz zur Festlegung von Reinigungsgrenzwerten anstelle der bisherigen teilweise unspezifischen Kriterien seit Jahren gewünscht, Teile der Industrie lehnen dies jedoch ab, wie auch in der Diskussion offenbar wurde. Bei der Umsetzung geht es nach Mehrheitsmeinung nicht um sklavische Umsetzung von Anforderungen, sondern darum, nachvollziehbare Vorgehensweisen und Bewertungskriterien zu entwickeln.

 

Umsetzung der Reinigungsvalidierung

Eine Möglichkeit zur praktischen Umsetzung wurde von Frau Dr. Faustman vorgestellt. Hier wurde gezeigt, dass an bestimmten Substanzen PDE-Werteberechnungen auf der Basis von NOEL – Werten und auf Basis von MAK / OEL – Werten erfolgten sowie zusätzlich ein TTC-Wert errechnet wurde. Dies wurde auch mit den erhobenen konventionellen Berechnungen (auf Basis von 10 ppm und 1/1000 – Dosiskriterium) verglichen und aus allen Ansätzen das worst case – Szenario ermittelt. Erwartungsgemäß wurde der Umgang mit Ergebnissen dann kontrovers diskutiert, was u.a. zeigt, wie wichtig toxikologische Expertise bei der Bewertung, z.B. auch der Genauigkeit der gefundenen Daten, ist. Bei Feststellung von Reinigungsgrenzwerten, die unter den bisherigen Limits liegen, ist Handlungsbedarf gegeben. Sofern von den etablierten Reinigungsvalidierungsstudien die Einhaltung neuer ermittelter, strengerer Grenzwerte nicht belegt werden können, ist Aufwand entweder in das Reinigungsverfahren oder in die Analytik zu investieren. Es war einhellige Meinung, dass bei bestehenden Produkten die Etablierung niedrigerer Grenzwerte als bisher eine Ausnahme darstellen wird. Allerdings liegt der Sinn der neuen Regelungen u.a. gerade darin, diese Ausnahmefälle zu identifizieren.

MAK und PDE Werte umrechnen

Hinsichtlich der Möglichkeit der Umrechnung von MAK – Werten in PDE – Werte ist zu berücksichtigen, dass der verantwortliche Betrieb die Zuverlässigkeit der Datenquelle sowie die Qualität der Datengrundlage einer Bewertung zuführen muss.

 

Kosten für die Toxikologie

Vor dem Hintergrund der Kosten für erworbene toxikologische Gutachten (hier wurden in der Diskussion Kosten zwischen 3.000 und 9.000 € pro Substanz genannt) wurde auch die Frage diskutiert, ob es tatsächlich für alle Substanzen sinnvoll ist, entsprechende Gutachten mit eigenen oder Fremdmitteln zu erstellen. Konsens war, dass eine toxikologische Bewertung in jedem Fall erfolgen muss. Dies erfordert jedoch nicht in jedem Fall aufwendige Gutachten. Die toxikologische Bewertung von Substanzen mit weitgehend bekannter niedriger Toxizität (genannt wurden z.B. Kochsalz, einige Mineralien, Glucose, Homöopathika in höheren Potenzen, ubiquitär eingesetzte Pflanzenbestandteile) kann sicherlich ohne großen Aufwand erfolgen.

 

Besonderheit für Lohnhersteller

Ein weiterer Diskussionspunkt war die Problematik von Lohnherstellern, da in vielen Fällen das toxikologische Know-how beim Auftraggeber liegen muss. Hier wurde auf die Verantwortlichkeit des pharmazeutischen Unternehmers verwiesen.

 

PDE Datenbank

Der Wunsch zur Etablierung von Datenbanken mit generischen PDE-Werten wurde ebenfalls diskutiert. Die praktische Umsetzung erfährt aber dadurch Schwierigkeiten, dass die Verantwortlichkeit beim jeweiligen Betrieb liegt und der Datenlieferant zunächst wie jede andere ausgelagerte Aktivität zu bewerten ist. Auch die Problematik beim Datensharing in größeren Gruppen, die Tatsache, dass häufig eine Lücke zwischen der Zahl der bereitwilligen Leistungslieferanten und der potentiellen Leistungskonsumenten klafft, wurde diskutiert.

 

Lebende Mikroorganismen

Zum Abschluss wurde die Problematik der lebenden Mikroorganismen aufgegriffen. In der vor März 2015 geltenden Fassung von Kap. 3 und 5 wären lebende Mikroorganismen ja ein zwingender Grund für „dediced facilities“ gewesen. Das Konzeptpapier von 2010 wurde erstmals auf lebende pathogene Mikroorganismen abgestellt. In der gültigen Fassung sind lebende Mikroorganismen als Arzneimittelbestandteil gar nicht mehr erwähnt. Es gibt also kein spezielles Ge-/Verbot mehr, zu überprüfen ist natürlich der mikrobielle Status, im Falle des Einsatzes von Mikroorganismen natürlich auch hinsichtlich der eingesetzten Mikroorganismen und nicht nur hinsichtlich der in Reinheitsprüfungen im EuAB vorgeschriebenen Keime. Zu berücksichtigen ist in diesem Fall auch die Umgebung, insbesondere potentielle Verunreinigungen über das Lüftungssystem.

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