Lieferengpass und GMP

Autor: Dr. Tobias Heinrich

Letzte Änderung: 16.05.2023

Wie ist der Lieferengpass aus Sicht eines Apothekers, der in einer öffentliche Apotheke tätig ist, zu bewerten?

 

Was haben Lieferengpässe mit GMP zu tun?

Lieferengpässe sind in der Apotheke und für viele Patientinnen und Patienten ein ständiges Ärgernis. Auch für Hersteller sind solche Schwierigkeiten mit großen Kosten und Mühen verbunden. Neben ökonomischen und politischen Gründen können auch Probleme während der Herstellung hierfür die Ursache sein. Warum die Einhaltung von GMP in diesem Bereich zwar zu Lieferengpässen führen kann, aber dennoch dem Wohle des Patienten dient, wollen wir hier näher betrachten.

GMP steht für „Good Manufacturing Practice“ und bezieht sich auf eine Reihe von Regeln und Vorschriften, die von der Europäischen Union und der Weltgesundheitsorganisation festgelegt wurden, um sicherzustellen, dass Arzneimittel mit gleichbleibender Qualität hergestellt werden. Diese Regeln decken alle Aspekte der Herstellung, Verpackung und Überwachung von Arzneimitteln ab. Zwei der betroffenen Bereiche wollen wir exemplarisch näher untersuchen.

 

Outsourcing – Lieferanten, Lohnhersteller und Audits

Wie in vielen anderen Bereichen auch, führt ein hoher Kostendruck beim pharmazeutischen Unternehmer auch oft zum Outsourcing von wichtigen Produktionsprozessen. Dazu gehören die Lieferung von Arznei-, Hilfs- und Packstoffen, aber auch die tatsächliche Fertigung bei einem Lohnhersteller. Diese Firmen arbeiten unabhängig, müssen sich jedoch ebenso an die GMP-Regularien halten wie der pharmazeutische Unternehmer. Dieser muss die Einhaltung regelmäßig in sogenannten Audits kontrollieren. Entsprechend wichtig ist bereits im Vorfeld die korrekte Auswahl und Vertragsgestaltung mit den Lieferanten. Was z.B. ein Supply Agreement ist und ob die Selbstauskunft des Lieferanten für die Qualifizierung ausreichend ist, sollte bei der Lieferantenqualifizierung geklärt werden.

Die Konzentration auf einen einzigen Lieferanten oder Lohnhersteller birgt ein höheres Ausfallrisiko. Doch eine Diversifizierung bedeutet auch einen höheren Kontrollaufwand. Hierfür können z.B. Remote Audits eine Lösung sein.

 

Abweichungen

Abweichungen beinhalten alle Vorkommnisse, bei denen das Arzneimittel anders zusammengesetzt ist, anders aussieht oder nicht so hergestellt wurde, wie es in den Zulassungsunterlagen angegeben wurde. Abweichungen können im Rahmen von Audits entdeckt werden, aber auch von Apothekern, Ärzten oder Patienten gemeldet werden. Diese Fälle müssen zeitnah beurteilt werden, um eine Gefahr für Patienten auszuschließen. Bei gravierenden Problemen sind sogar Chargenrückrufe oder eine Aussetzung der Produktion möglich. Thema der Fehlerursachenanalyse (Root Cause Analysis) ist es, diese Abweichungen zu reduzieren und besonders das wiederholte Vorkommen der gleichen Abweichung zu vermeiden.

Doch nicht nur in der Herstellung eines Produktes, auch bei der Analytik eines Produktes können Abweichungen auftauchen. Eine gute Qualitätskontrolle ist für das Wohl der Patienten unerlässlich. Doch was passiert, wenn etwa Verunreinigungen im Produkt vorhanden sind? Über standardisierte Abläufe, auch im Labor, lassen sich die Ursachen hierfür schneller aufdecken. Die mögliche Lösung kann so schneller in Angriff genommen werden. Die Regeln der Good Manufacturing Practice sind auch auf die Analytik zu übertragen.

Ein Beispiel für Lieferengpässe aufgrund von GMP war die Tylenol-Krise von 1982, als mit Cyanid-verunreinigte Paracetamol-Tabletten zum Tod von sieben Personen in den USA führten. Die Nicht-Einhaltung der GMP-Regularien zwang die verantwortliche Firma zu einem Marktrückruf aller Präparate und resultierte in einer Verschärfung der Regularien durch die FDA.