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GMP/GDP-Auditing – Rechtliche Grundlagen, Auditpraxis und Qualitätssysteme

Autor: René Sodemann, PTS Training Service

Letzte Änderung: 03.11.2025

Basierend auf der Veranstaltung “Experte für GMP/GDP Auditing“

Europäische Regelwerke und ihre Verbindlichkeit

Die regulatorische Basis jedes GMP- und GDP-konformen Qualitätssystems liegt in der klaren Unterscheidung der verschiedenen EU-Rechtsinstrumente. EU-Verordnungen, die vom Europäischen Parlament und Rat beschlossen werden, sind unmittelbar für alle Mitgliedstaaten und Bürger verbindlich und müssen nicht in nationales Recht überführt werden. Richtlinien hingegen richten sich an die Mitgliedstaaten und geben ihnen einen Rahmen vor, der in der Regel innerhalb von 18 Monaten in nationales Recht umgesetzt werden muss. Diese Richtlinien legen Mindestanforderungen fest, die von den Staaten verschärft, aber nicht unterschritten werden dürfen.

Eine dritte Ebene bilden delegierte Rechtsakte, die von der Europäischen Kommission im Auftrag des Parlaments erlassen werden und ebenfalls rechtlich bindend sind. Kommissionsentscheidungen wiederum beziehen sich auf spezifische Fälle – etwa zentrale Arzneimittelzulassungen – und sind nur für den jeweiligen Adressaten verbindlich.

Leitlinien (Guidelines) schließlich sind keine Gesetze, sondern fachliche Empfehlungen, die den anerkannten Stand von Wissenschaft und Technik widerspiegeln. Ihre Einhaltung ist nicht verpflichtend, wird jedoch von den Behörden als Erwartungshaltung verstanden. Unternehmen dürfen von Leitlinien abweichen, sofern sie wissenschaftlich begründet nachweisen können, dass ihr Ansatz gleichwertig oder besser ist.

Der GMP- und GDP-Leitfaden als “ State of the Art”

Die europäischen GMP- und GDP-Leitfäden sind zentrale Referenzdokumente, die sich aus den gesetzlichen Anforderungen ableiten. Sie sind nicht unmittelbar bindend, werden aber über nationale Gesetze wie die Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV) in Deutschland oder die Arzneimittelbewilligungsverordnung (AMBV) in der Schweiz mittelbar verpflichtend.

Diese Leitfäden definieren den Stand der Technik – den sogenannten State of the Art. Dazu zählen auch internationale Standards wie ISO- und DIN-Normen, WHO-Guidelines oder PIC/S-Dokumente. Abweichungen von diesen Leitfäden sind zulässig, wenn das Unternehmen belegen kann, dass die gewählte Vorgehensweise denselben Qualitätsstandard gewährleistet.

Gesetzliche Hierarchie in Deutschland und der Schweiz

In Deutschland stehen Gesetze wie das Arzneimittelgesetz (AMG), das Tierarzneimittelgesetz (TAMG) und das Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) an der Spitze der Rechtsordnung. Darunter folgen Rechtsverordnungen wie die AMWHV oder die Arzneimittelhandelsverordnung. Erst danach kommen technische Leitfäden und Normen, die den Stand der Technik abbilden.

In der Schweiz gilt das Heilmittelgesetz (HMG) als zentrale Rechtsgrundlage. Es umfasst Human- und Tierarzneimittel ebenso wie Medizinprodukte. Häufig werden bewährte EU-Regelungen, beispielsweise zur Serialisierung oder Herstellungspraxis, zeitverzögert ins Schweizer-Recht übernommen.

Regulatorische Entwicklungen und Trends

Die letzten Jahre waren von einer deutlichen Zunahme unmittelbar geltender Verordnungen geprägt. Besonders hervorzuheben sind die Medizinprodukteverordnung (MDR) und die Tierarzneimittelverordnung, die frühere Richtlinien ersetzt haben. Eine neue Humanarzneimittel-Richtlinie wurde 2022 in Kraft gesetzt. Parallel dazu erfährt der EU-GMP-Leitfaden umfassende Überarbeitungen – insbesondere in den Kapiteln 1 (Qualitätsmanagement), 4 (Dokumentation) und 11 (Computersysteme).

Ein neuer Annex 22 widmet sich dem Thema Künstliche Intelligenz und betont, dass KI-Systeme in GMP-kritischen Prozessen nicht ohne menschliche Aufsicht eingesetzt werden sollen. Der Trend zeigt klar in Richtung stärkerer Harmonisierung und Vereinheitlichung, während nationale Interpretationsspielräume dadurch abnehmen werden.

Die Verantwortung der Geschäftsführung im Qualitätsmanagement

Die Geschäftsführung trägt die Gesamtverantwortung für die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit des Qualitätssystems. Sie ist verpflichtet, die notwendigen Ressourcen bereitzustellen, die Wirksamkeit des Systems im Rahmen von Management Reviews zu überprüfen und eine Unternehmenskultur zu fördern, die Qualität als Führungsaufgabe versteht.

Selbstinspektionen, an denen die Führungsebene aktiv teilnimmt, verdeutlichen die gelebte Verantwortung. In der Inspektionspraxis zeigt sich jedoch häufig, dass die Leitungsebene Dokumentations- und Qualitätsprozesse unterschätzt. Ein proaktives Qualitätsverständnis auf Managementebene ist daher entscheidend für die Glaubwürdigkeit eines Unternehmens gegenüber Behörden.

Lieferanten- und Kundenqualifizierung

Im GxP spielt die Due Diligence – die sorgfältige Prüfung von Lieferanten – eine zentrale Rolle. Sie dient dazu, ungewöhnliche Angebote in Preis oder Menge zu erkennen, die Authentizität von Arzneimitteln zu prüfen und Risiken in der Lieferkette zu minimieren. Wichtige Prüfkriterien sind u. a. die wirtschaftliche Plausibilität, gültige Lizenzen, Nachweise eines funktionierenden Qualitätsmanagementsystems und die Rückverfolgbarkeit bis zum Ausgangsmaterial.

Ebenso relevant ist die Qualifizierung von Kunden. Nur berechtigte Abnehmer – etwa zugelassene Apotheken oder GDP-zertifizierte Großhändler – dürfen beliefert werden.

Auditierung

Ausgelagerte Tätigkeiten dürfen nur auf Basis qualifizierter und auditierter Dienstleister erfolgen. Vor der erstmaligen Beauftragung ist ein Audit zwingend erforderlich. Regelmäßige Audits sind ansonsten risikobasiert durchzuführen.

Die Auditpflicht umfasst nicht nur Wirkstoffhersteller oder Lohnlabore, sondern auch Transportdienstleister oder Lagerhalter – also alle Akteure, die die Produktqualität potenziell beeinflussen.

Vertraglich sollten jederzeitige Auditrechte vereinbart werden. Qualitätsvereinbarungen müssen sowohl regelmäßige als auch anlassbezogene Audits ermöglichen, um Transparenz und Kontrolle in der Lieferkette sicherzustellen.

Regelwerke und Durchführungshilfen für Audits

Für die Praxis existieren zahlreiche Hilfsmittel, die Unternehmen und Auditoren bei der Durchführung und Bewertung von Audits unterstützen. Dazu gehören internationale Normen wie ISO 13485, ebenso wie die verschiedenen Teile des EU-GMP-Leitfadens (Teil 1 für Arzneimittel, Teil 2 für Wirkstoffe).

Besonders praxisnah sind die Aide-Mémoire-Dokumente der ZLG, die detaillierte Prüffragen für Inspektionen und Selbstinspektionen enthalten – beispielsweise ca. 47 Seiten zum Qualitätsmanagement oder ca. 80 Fragen speziell für Großhandelsbetriebe.

Diese Hilfsdokumente sind nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz anwendbar, da sie auf denselben EU-Grundlagen beruhen.

Change-Control-Verfahren

Ein zentrales Element eines funktionierenden Qualitätsmanagementsystems ist ein klar definiertes Change-Control-Verfahren. Jede Änderung – ob an Prozessen, Ausrüstung, Dokumentation oder Personal – muss kontrolliert, bewertet und nachvollziehbar umgesetzt werden.

Der Prozess umfasst die Eröffnung des Änderungsantrags, die Bewertung durch alle relevanten Fachabteilungen, die Genehmigung und Umsetzung sowie die abschließende Erfolgskontrolle. Eine Risikoanalyse ist dabei zwingend erforderlich.

Elektronische Systeme zur Verwaltung von Change Controls müssen validiert sein. Eine Liste offener Änderungsanträge hilft, Transparenz und Nachvollziehbarkeit sicherzustellen. Unternehmen sollten außerdem präventive Änderungen dokumentieren, um kontinuierliche Verbesserungen sichtbar zu machen.

Produktionsräumlichkeiten und Monitoring

Die Überprüfung der Produktionsumgebung beginnt mit dem Sitemaster File, das den aktuellen Grundriss der Anlagen, Material- und Personalflüsse sowie die Einteilung in Reinraumklassen enthält. Inspektionen stellen sicher, dass Requalifizierungsintervalle eingehalten und alle Angaben mit dem tatsächlichen Zustand übereinstimmen.

Wichtige Kontrollparameter sind z. B. Temperatur, relative Luftfeuchtigkeit und Differenzdruck zwischen den Reinraumzonen. Ein funktionierendes Zugangssystem gewährleistet, dass nur geschultes und gesundheitlich freigegebenes Personal Zutritt hat. Reinigungsintervalle und -methoden müssen dokumentiert, externe Reinigungsdienstleister qualifiziert sein.

Auch biologisches und mikrobiologisches Monitoring sind feste Bestandteile der Überwachung, ebenso wie die Qualifizierung von Ausrüstung und Versorgungssystemen wie Lüftungsanlagen. Eine risikobasierte Betrachtung stellt sicher, dass alle relevanten Aspekte der Raum- und Prozesshygiene abgedeckt sind.

Abweichungen und CAPA-Systeme

Das Management von Abweichungen und die Umsetzung von Corrective and Preventive Actions (CAPAs) sind Kernelemente eines stabilen Qualitätssystems. Zu Beginn einer Inspektion wird häufig die SOP zu Abweichungen und CAPAs geprüft, um den Ablauf, die Verantwortlichkeiten und die Fristen zu verstehen und zu bewerten.

Unternehmen sollten jederzeit eine aktuelle Übersicht über alle Abweichungen, ihren Status und ihre Kritikalität vorlegen können. Fristen von 24 Stunden für die Meldung und 30 Tagen für die Bearbeitung gelten als branchenüblich. Jede Abweichung erfordert eine Ursachenanalyse, deren Qualität oft Rückschlüsse auf die Wirksamkeit des gesamten Systems zulässt.

CAPAs müssen realistisch geplant, priorisiert und auf ihre Wirksamkeit überprüft werden. Wiederkehrende oder überfällige Abweichungen deuten auf systematische Schwächen hin. Unterschieden wird zwischen Korrektur (sofortige Behebung), Korrekturmaßnahme (Beseitigung der Ursache) und Vorbeugemaßnahme (Verhinderung ähnlicher Fehler in Zukunft).

Reinigungsvalidierung

Die Reinigungsvalidierung belegt, dass Anlagen nach dem Produktionsprozess frei von unzulässigen Rückständen sind – sei es Produkt, Reinigungsmittel oder mikrobiologische Kontamination.

Der Prozess erfordert eine vollständige Dokumentation, die Definition von Worst-Case-Produkten und -Prozessen, klare Revalidierungsintervalle und eine nachvollziehbare Festlegung analytischer Methoden. Grenzwerte werden dabei oft auf Basis des Permitted Daily Exposure (PDE) oder anderer toxikologischer Kennzahlen definiert.

Die Wahl der Probenahmetechnik (z. B. Swab- oder Rinse-Methoden) sowie die Auswahl kritischer Probenstellen sind entscheidend. Während bei Monoanlagen mikrobiologische Aspekte im Vordergrund stehen, liegt bei Mehrzweckanlagen der Fokus auf der Vermeidung von Kreuzkontaminationen.

Das kritischste Produkt ist dabei nicht zwingend das toxischste, sondern häufig dasjenige mit der höchsten Retention im Equipment. Auch hier gilt der risikobasierte Ansatz: je höher das Risiko, desto intensiver die Validierung.

Fazit 

Ein modernes GMP-/GDP-System ist kein starres Regelwerk, sondern ein lebendes Managementsystem, das auf Transparenz, Verantwortung und Risikobewusstsein basiert. Es erfordert eine klare Kenntnis der rechtlichen Hierarchie, eine dokumentierte Nachvollziehbarkeit aller Prozesse und das aktive Engagement der Geschäftsführung.

Die konsequente Qualifizierung von Lieferanten und Kunden, eine risikobasierte Auditstrategie, ein funktionierendes Change-Control- und CAPA-System sowie valide Reinigungsprozesse sind die Grundpfeiler nachhaltiger Qualitätssicherung.

Gelebte Compliance bedeutet, nicht jedes Wort einer Leitlinie buchstabengetreu zu erfüllen, sondern die zugrunde liegenden Qualitätsprinzipien zu verstehen und wirksam umzusetzen – im Sinne der Patientensicherheit und der Integrität des Arzneimittelmarktes.

 

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